Gesundheitsthemen | Allgemein- & Viszeralchirurgie
Genesung auf der Überholspur - Wie Patient:innen nach Operationen schnell wieder fit werden
Oft führten ein operativer Eingriff und der anschließende stationäre Aufenthalt zu längerfristigen kognitiven und motorischen Einschränkungen bei betagten Menschen. Deswegen entstand bereits vor einigen Jahren in der Ärzteschaft das Anliegen, diese Situation zu verbessern. Es zeigte sich bald, dass mit gewissen Maßnahmen Patient: innen jeden Alters schneller wieder fit wurden und mit weniger Einschränkungen zurechtkommen mussten. Dieses international entwickelte Konzept nennt sich „Fast track“ – quasi Genesung auf der Überholspur.
Auch am Bürgerhospital Frankfurt wendet das Team der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie dieses Behandlungskonzept zur schnellen Genesung bei Bauchoperationen konsequent an – mit deutlicher Wirkung. „Kürzlich haben wir einen 93-jährigen Patienten wegen Darmkrebs operiert und konnten ihn nach einer teilweisen Entfernung des Dickdarms bereits nach wenigen Tagen mobil in die Reha entlassen“, belegt Chefarzt Dr. med. Fabian Helfritz seinen Erfolg mit einem Beispiel und ergänzt: „Besonders bei älteren Patienten ist dies sehr bemerkenswert, aber natürlich profitieren auch jüngere Menschen von diesem Konzept der schnellen Genesung.“ Hinter dem Ansatz verbirgt sich ein Potpourri an Maßnahmen, die zusammen für eine schnelle Mobilisation und eine zügige Normalisierung der Körperfunktionen sorgen.
Gute Vorbereitung
Bereits vor der Operation erfolgen die ersten Schritte: Patient:innen werden angehalten, verstärkt auf ihre Gesundheit zu achten. Spaziergänge oder leichter Sport stärken Muskulatur und Kreislauf, eine ausgewogene Ernährung reguliert die Darmtätigkeit. Nikotin- und Alkoholverzicht verbessern die Durchblutung und damit die Wundheilung. Ist ein Eingriff langfristig geplant, etwa bei einem ausgeprägten Bauchdeckenbruch, wird unter Umständen eine Gewichtsreduktion angeraten.
Schonende OP
Während der Operation liegt es dann in der Hand des medizinischen Personals, so schonend wie möglich zu arbeiten. „Wann immer möglich operieren wir minimal-invasiv“, erklärt Helfritz. „Im Gegensatz zu einer offenen Operation sind die Wunden kleiner und heilen besser. Der Kreislauf bleibt stabiler, der Blutverlust ist geringer, das Infektionsrisiko wird erheblich gesenkt - was sich auch an den Entzündungsparametern im Blut nachweisen lässt“, zählt Helfritz die Vorteile auf.
Auch moderne Narkoseverfahren und eine effektive Schmerztherapie sind Bestandteil des Genesungskonzepts. Wichtig ist es, Begleiterscheinungen wie Übelkeit oder Schwindel zu vermeiden. So kommt zusätzlich zur Vollnarkose möglichst eine regionale Betäubung zum Einsatz. Damit kann eine systemische Schmerzmittelgabe, die den ganzen Körper belastet, oft vermieden werden. Diese Regionalanästhesie wirkt auch noch über die Narkose hinaus für die ersten Stunden nach der Operation. „Für eine schnelle Genesung ist Schmerzfreiheit unabdingbar. Wir halten unsere Patienten an, uns rechtzeitig darauf hinzuweisen, sollten sie nach der Operation Schmerzen haben. Dann passen wir bei Bedarf die Medikation an. Schmerzen müssen nicht ausgehalten werden, dies ist für die Genesung kontraproduktiv“, begründet Helfritz das Vorgehen.
Auch werden Drainagen nur noch in Ausnahmefällen eingesetzt. „Die Forschung hat gezeigt, dass Drainagen in vielen Fällen keine medizinischen Vorteile haben. Zudem darf die psychologische Komponente nicht unterschätzt werden, wenn nach einer OP ein Beutelchen mit Wundflüssigkeit aus dem Bauch hängt. Nicht zuletzt bewegen sich Patienten ohne Drainagen mehr“, begründet Helfritz die Neuerung.
Rasche Mobilisierung
Die Kombination aus einem minimal-invasiven Eingriff und einer effektiven Schmerztherapie ermöglicht es den meisten Patient:innen, sich noch am Tag der Operation an der Bettkante aufzusetzen und sich bereits am Folgetag sechs bis acht Stunden laufend oder sitzend außerhalb des Betts aufzuhalten. Dafür hilft Helfritz mit einem kleinen Kniff nach: „Ich bitte meine Patienten immer, sich so zeitig wie möglich wieder normal anzukleiden, denn in ihrer Alltagskleidung verstecken sie sich weniger unter ihrer Zudecke und sind eher bereit, ihr Bett oder gar ihr Zimmer zu verlassen.“ Diese zügige Mobilisierung sorgt dafür, dass Kreislauf und Magen-Darm-Trakt wieder in Schwung kommen und sich ein weitgehend normaler Tagesrhythmus einstellt. Nicht zuletzt sorgt dies auch für einen einfacheren Übergang in den heimischen Alltag bzw. die Reha.
Frühzeitiger Kostaufbau
Auch bei der Verpflegung gibt es neue Ansätze. „Die Nüchternheit vor der OP und die Operation selbst sorgen für einen verhältnismäßig trägen Darm. Deswegen ging man früher davon aus, dass nach Bauch- oder Darmoperationen die Patient:innen bei der Nahrungsaufnahme geschont werden sollten. Doch das Gegenteil ist der Fall: Heute kann und soll bereits einige Stunden nach einer Operation wieder feste Nahrung zu sich genommen werden“, erklärt Helfritz. Zudem wird die Darmtätigkeit mit einem leichten Medikament angeregt. Auch eine ausreichend große Trinkmenge wird empfohlen, darunter auch Kaffee, um Kreislauf, Darmfunktion und Wasserhaushalt zu normalisieren. Und wer mag, soll gern Kaugummi kauen. Der dadurch erzeugte Speichelfluss sorgt ebenfalls für eine schneller angeregte Verdauung.
Vorteile eindeutig
All diese Einzelmaßnahmen führen dazu, dass Patient:innen innerhalb weniger Tage wieder fit werden: Wenn Patient:innen ab Tag eins nach der Operation wieder mobil werden, kommen Kreislauf, Lungenfunktion und Verdauung schnell in Schwung. Die dadurch verbesserte Durchblutung wirkt sich positiv auf die Wundheilung aus, außerdem werden Risiken für Lungenentzündung und Thrombose verringert. Das schnelle Anknüpfen an den Alltag bedeutet vor allem für ältere Menschen einen langfristigen Erhalt der gewohnten Lebensqualität. Für Krebspatient:innen ergibt sich zudem ein weiterer gewichtiger Vorteil: Eine etwaige anschließende Chemotherapie kann rechtzeitig beginnen.
Doch noch eine weitere positive Folge des Genesungskonzepts zeigt sich: Das psychische Wohlbefinden wird merklich verbessert. Wenn nach einer Operation eine schnelle Rückkehr zur Normalität möglich ist, bleiben Krankenhausaufenthalte in guter Erinnerung. Dies kann dazu führen, dass wichtige Untersuchungen und notwendige Behandlungen künftig weniger auf die lange Bank geschoben werden.