Substitutionsambulanz feiert 20-jähriges Bestehen
2002 wurde in mehreren deutschen Städten ein Modellprojekt zur heroingestützten Behandlung Opiatabhängiger gestartet. Schwerstabhängige Menschen erhielten Diacetylmorphin – also pharmakologisch reines Heroin – statt sich die Droge illegal anderweitig zu beschaffen. Es war ein damals revolutionärer Versuch, der aber auch auf heftigen Widerstand in der Öffentlichkeit stieß. 2003 schloss sich schließlich auch Frankfurt der sogenannten Heroinstudie an. Die Ergebnisse waren beeindruckend und führten zur Gründung der Substitutionsambulanz Grüne Straße (SAGS) im Frankfurter Ostend. Nun feiert die Einrichtung ihr zwanzigjähriges Bestehen.
„Die Gründung der Ambulanz vor 20 Jahren war ein Meilenstein. Vorher wurden in der Substitutionsbehandlung noch ausschließlich Ersatzmittel wie z. B. Methadon verabreicht. Eine damals gestartete Vergleichsstudie mit pharmakologisch reinem Heroin führte zu besseren Behandlungsergebnissen bei von Opiaten schwerstabhängigen Menschen – und zwar eindeutig: Die Abbruchquote der Suchtkranken ging merklich zurück und ihr körperlicher und psychischer Zustand verbesserte sich signifikant. Zudem verringerte sich die Beschaffungskriminalität der Studienteilnehmer“, erläutert Dietmar Paul, ärztlicher Leiter der Ambulanz, die Ergebnisse von damals.
Die Mitarbeiter:innen der Ambulanz versorgen Betroffene heute bis zu dreimal täglich mit pharmakologisch reinem Heroin. Darüber hinaus überwachen sie die Einnahme von lebensnotwendigen Medikamenten. Die psychosoziale Betreuung durch die Mitarbeiter:innen des Vereins „Jugendberatung und Jugendhilfe“ vor Ort unterstützt die Patient:innen in der Bewältigung der Probleme im Lebensalltag. Heute betreut die Ambulanz über 80 Menschen, einige von ihnen seit ihrer Gründung vor 20 Jahren. „Die Behandlungsdauer liegt im Schnitt bei fünf bis sechs Jahren. Wenn man berücksichtigt, dass es sich um schwerstabhängige, teils erheblich multimorbide Patient:innen handelt, ist diese Haltequote ein sehr großer Erfolg des Teams“, ergänzt Paul.
Das vorrangige Ziel der Behandlung, die Mortalität, also die Sterbegefahr, für die Suchtkranken zu verringern und den körperlichen wie auch seelischen Gesundheitszustand zu verbessern, wird sehr gut erreicht. Im weiteren Zeitverlauf kann durch die intensive Betreuung das Bedürfnis nach Rausch sukzessive verringert werden. Tatsächlich wünschen fast alle Patient:innen im Laufe der langen Behandlungszeit von sich aus eine Dosisreduktion. Einigen der ehemals schwer Suchtkranken gelingt es, das Substitutionsprogramm erfolgreich ganz zu beenden.
„Die ärztlich kontrollierte Vergabe von Ersatzstoffen, insbesondere Diamorphin, hat sich als zentrale und wirksame Behandlungsform bewährt, um die gesundheitliche und soziale Situation von Drogenabhängigen nachhaltig zu verbessern und ihnen neue Perspektiven und Teilhabemöglichkeiten zu eröffnen“, sagt Gesundheitsdezernent Stefan Majer. „Die Menschen stabilisieren sich und können zum Teil sogar wieder arbeiten gehen. Die diamorphingestützte Behandlung war ein Meilenstein der Substitution.“
Als größten Hemmschuh für eine breitere Inanspruchnahme bezeichnet der Gesundheitsdezernent die strengen gesetzlichen Voraussetzungen, damit die diamorphingestützte Behandlung überhaupt gestattet wird. „Wir brauchen dringend die seit Jahren geforderte Gesetzesänderung, denn wir hätten noch genug Kapazitäten und auch die Nachfrage, um mehr Menschen mit der diamorphingestützten Behandlung zu helfen.“
Seit 2009 wird die Diamorphinvergabe an Betroffene von den Krankenkassen finanziert. Die Aufnahmekriterien sind aber streng reglementiert und die Hürden hoch: Bei den Patient:innen muss eine seit mindestens fünf Jahren bestehende Opioidabhängigkeit verbunden mit schwerwiegenden somatischen und psychischen Störungen bei überwiegend intravenösem Konsum vorliegen. Zudem müssen zwei Behandlungen der Opioidabhängigkeit bereits gescheitert sein. Neben Frankfurt existieren heute bundesweit 12 weitere Substitutionsambulanzen.