"Ich sehe viele Vorteile in der generalistischen Pflegeausbildung."

Die Ausbildung zur 'Pflegefachfrau' und zum 'Pflegefachmann' ersetzt die bisherigen Ausbildungen der Altenpflege, der Gesundheits- und Kranken­pflege sowie der Gesundheits- und Kinder­kran­ken­pflege. Alle Auszubildenden durchlaufen eine gemeinsame „generalistische Ausbildung“. Mit diesem Berufsabschluss haben Pflegende die Möglichkeit, ohne langwierige Anerkennungsverfahren im euro­päischen Ausland zu arbeiten. Was diese Änderung darüber hinaus in der Praxis bedeutet, erklärt Pflegedirektorin Oberin Christine Schwarzbeck im Interview.

Die generalistische Pflegeausbildung ist am 1. März gestartet. Was ändert sich für Auszubildende, die künftig in der Pflege arbeiten wollen?

Oberin Schwarzbeck: „Künftig absolvieren alle Auszubildenden eine gemeinsame Grundausbildung für die Pflege von Menschen jeden Alters. Die neu gestaltete Pflegeausbildung spiegelt die veränderten beruflichen Anforderungen wider: Die Grenzen zwischen den bisher verwandten pflegerischen Berufen verschwimmen. Künftig werden die Auszubildenden deshalb in stationären und ambulanten Ein­richtungen breit in unter­schiedlichen Fachbereichen, sprich für die pflegerische Versorgung von Kranken, Pflege­be­dürf­tigen aller Altersgruppen, das heißt vom Kind bis zum hochbetagten Menschen, qualifiziert. Da die Schüler­innen und Schüler viele Bereiche innerhalb der generalistischen Ausbildung durchlaufen, fällt eine Entscheidung für eine Fachrichtung gegebenenfalls erst zu einem späteren Zeitpunkt. Hilfreich ist dennoch auch der neue „Orientierungseinsatz“ mit 400 praktischen Stunden. Dabei erhalten die Schüler gleich zu Anfang einen sehr guten Einblick in die zu Ausbil­dungs­be­ginn gewünschte Vertie­fungs­rich­tung.

Innerhalb der Generalistik können sich die Auszubildenden abhängig vom Angebot des Ausbil­dungs­trägers und der Pflegeschule spezialisieren, indem sie ab dem dritten Ausbildungsjahr eine Vertiefung für die Kinder­kran­ken­pflege oder für die Altenpflege wählen. Durchläuft man die drei-jährige generalistische Ausbildung, kann man sich – wie es jetzt auch schon möglich ist – anschließend im Berufsleben weiter spezialisieren, etwa in der Intensivpflege oder der Dia­beto­logie.“

Sehen Sie darin Vorteile für die Auszubildenden?

Oberin Schwarzbeck: „Ja, ich sehe darin durchaus Vorteile. Die sogenannten pflegerischen Vorbehaltsaufgaben stehen im Mittelpunkt. Das sind Tätigkeiten, die künftig nur staatlich geprüfte Pflegefachpersonen ausführen dürfen, die weder Ärzte oder Hilfskräfte übernehmen dürfen. Außerdem werden durch die breitere Grundausbildung generalistische Kompetenzen vermittelt, in Form von Überblickswissen und Kompetenzen zur Pflege von Menschen. Das sind zum einen Kompetenzen, die in verschiedenen Versorgungsbereichen und unter­schiedlichen Lebensphasen notwendig sind. Zum anderen sind das Kompetenzen im Hinblick auf Kommunikation und Beratung, in der Sicherstellung der Pflegequalität und bezüglich der Zusammenarbeit mit Kollegen der eigenen und anderer Berufsgruppen. Die Auszubildenden haben durch die breit gefächerte Pflegeausbildung mehr Wahl- und Entwick­lungs­mög­lich­keiten für ihr Berufsleben. Gut ist auch, dass die Auszubildenden während ihrer Pflichteinsätze in der Praxis mitunter zwischen den Häusern wechseln. Denn nicht jeder Ausbil­dungs­träger bietet alle Vertiefungen an. So kommen zu uns Auszubildende aus anderen Häusern, um zum Beispiel bei uns die Pädiatrie kennenzulernen. Umgekehrt gehen unsere Pflegeschüler zeitweise in Ein­richtungen in der Altenpflege sowie der ambulanten Pflege. Auf diese Weise erhalten die Auszubildenden viele verschiedene Einblicke  in die Arbeitswelt, das ist gut.“

Die Reform war nicht unumstritten. Welche Befürchtungen sind mit den Neuerungen verbunden?

Oberin Schwarzbeck: „Bei allen Vorteilen für die Auszubildenden kommt für die ausbildenden Häuser einiges an Mehraufwand dazu. Wahrscheinlich wird eine höhere Einar­bei­tungs­zeit nach dem Examen erforderlich sein, denn es werden bei gleicher Ausbildungsdauer mehr Inhalte vermittelt. Trotz intensiver Begleitung durch die Praxisanleitung und die Schule werden sicherlich einige Themen nicht in der Tiefe bearbeitet werden können, die wir dann hier im Krankenhaus nachholen müssen. Die generalistische Ausbildung widerspricht in diesem Punkt dem Trend der zunehmenden Spezialisierung und den hohen Quali­täts­an­for­de­rungen seitens der Politik für Medizin und Pflege.

Weiterhin sind wir gefordert, als Ausbildungsbetrieb Kooperationen einzugehen, damit wir für unsere Auszubildenden alle Fachbereiche abdecken können. Das ist ein großer Organisations- und Verwaltungsaufwand für uns. Für unsere Praxisanleiter bedeutet dies einen noch größeren Abstimmungsbedarf zwischen der Pflegeschule, den Koope­ra­tions­partnern und den Stationen. Denn die Auszubildenden sollen ja optimal begleitet werden und sollen ihr Gelerntes direkt in der Praxis anwenden. Aber das soll die Auszubildenden nicht bekümmern. Wir sind gespannt auf unseren ersten Kurs in der generalistischen Ausbildung in unseren Kranken­häusern.“

Das Interview führte Christiane Grundmann.

 

Weitere Informationen zu unseren Ausbildungen finden Sie auf unserer Karriereseite

www.annersder.com

Am Bürgerhospital und am Clementine Kinder­hospital bilden wir aus zum Pflegefachmann beziehungsweise zur Pflegefachfrau im Bereich Erwachsene und im Bereich Pädiatrie. Alle Auszubildenden werden von unseren Praxisanleitern intensiv betreut. Das sind geschulte Pflegekräfte, die die Auszubildenden während der Praxisphasen begleiten. Sie achten darauf, dass die Schüler ihr theoretisches Wissen in der Praxis anwenden und sind Ansprechpartner bei allen Fragen rund um die Ausbildung.

 

Beiträge aus der gleichen Kategorie

14.03.2024 - Frauen­heil­kunde & Geburtshilfe

Gespendete Frauenmilch - Optimale Starthilfe für Frühgeborene

Die Geburt eines Frühchens markiert oft den Beginn einer emotionalen Achterbahnfahrt für Eltern und medizin­isches Fachpersonal gleichermaßen. Der frühe Start ins Leben erfordert neben dem Kämpfergeist des Frühchens auch fortschrittliche medizin­ische Versorgung sowie eine besondere Form der Pflege und Nahrungszufuhr. Seit Sommer 2022 kann die Klinik für Neonatologie und pädiatrische Intensivmedizin des Bürger­hospitals stationär behandelte Frühgeborene mit Spenderinnenmilch versorgen. Möglich macht das die Kooperation mit der Frankfurter Frauenmilchbank.

16.02.2024 - Innere Medizin

Hightech und Handarbeit - Wie medizin­ischer Fortschritt, Erfahrung und Präzision die Schild­drü­sen­chi­rurgie optimieren

Ob Morbus Basedow, eine Erkrankung der Nebenschilddrüse oder gar ein Schilddrüsenkarzinom – rund 1.700 Patient:innen schaffen Dr. med. Christian Vorländer und sein Team jedes Jahr ganz wortwörtlich „ein Problem vom Hals“. Als Spezialist:innen für Schild­drü­sen­ope­ra­tionen wissen sie genau, in welchen Fällen eine Operation vermeidbar bzw. dringend geboten ist. Deswegen überweisen nieder­gelassene Ärzt:innen viele ihrer Patient:innen an die Endokrine Chirurgie des Frankfurter Bürger­hospitals, um eine krankhafte Veränderung an der Schilddrüse abklären zu lassen.

25.01.2024 - Kinder- & Jugendmedizin | Clementine Kinder­hospital

Kranke Kinder haben Vorfahrt – Wie funktioniert die Notfallambulanz am Clementine Kinder­hospital?

Mehr als 13.000 kranke Kinder suchen jedes Jahr die Notfallambulanz des Clementine Kinder­hospitals auf. Davon müssen rund 1.900 Kinder stationär aufgenommen werden. Im Interview erklärt Oberarzt Marco Haupt, Leiter der Notfallambulanz, wie die NOA am Clementine Kinder­hospital funktioniert, warum es manchmal zu langen Wartezeiten kommt und was Eltern im Krankheitsfall ihres Kindes am besten unternehmen.