Durch Rotationsmodell zum Allrounder - Neues Ausbildungskonzept für Medizin­ische Fachangestellte

Medizin­ische Fachangestellte, vielen noch unter der früheren Bezeichnung als Arzthilfe bekannt, sind für Patient:innen in Arztpraxen oder Kranken­häusern oft die erste Anlaufstelle. Während sich die Lerninhalte der Ausbildung zu Medizin­ischen Fachangestellten in der Theorie decken, können sich die Aufgabenfelder in einer Arztpraxis mit einer bestimmten Fachrichtung von denen innerhalb eines Krankenhauses unterscheiden. Wir haben uns umgehört, welche Chancen eine Ausbildung im Krankenhaus mit sich bringt und warum und wie das Ausbildungskonzept am Bürgerhospital und Clementine Kinder­hospital reformiert wurde.

Ob Blut abnehmen, bei Behandlungen assistieren oder Termine koordinieren - der Beruf von Medizin­ischen Fachangestellten (kurz MFAs) ist sehr facettenreich und vereint organisatorische und medizin­ische Aufgaben. Sowohl in Arztpraxen als auch in Kranken­häusern ist es wichtig, hierfür quali­fiziertes Personal zu haben. „Bislang waren unsere Auszubildenden, ähnlich wie in einer Arztpraxis, auf einen bestimmten Fachbereich innerhalb unseres Hauses festgelegt. Wir stellen bei uns allerdings in vielen Arbeitsbereichen einen zunehmenden Bedarf an Unterstützung durch MFAs fest. 

Entsprechend sinnvoll ist daher eine möglichst breit aufgestellte Ausbildung. Diese bekommen unsere Auszubildenden jedoch nur, wenn sie bei uns auch durch die verschiedenen Bereiche rotieren können“, erklärt Caspar Vaughan, Leiter der Perso­nal­ab­tei­lung am Bürgerhospital und Clementine Kinder­hospital. Um dies zu ermöglichen, wurde mit dem Start des neuen Ausbil­dungs­jahr­gangs im September 2021 das neue Rotationskonzept eingeführt, welches ein Reinschnuppern in die unter­schiedlichen Arbeitsfelder und Aufgaben erlaubt. „Nicht nur, dass dadurch die MFAs nach ihrer Ausbildung flexibel einsetzbar sind, sie können so auch ihre präferierten Arbeitsbereiche für sich herausfinden“, ergänzt Vaughan.

Für eine strukturierte Umsetzung des neuen Modells bedarf es jedoch eines Teams aus Mentor:innen, das sich um die Planung, Organisation und Betreuung der Auszubildenden kümmert. Dabei sollen die ausgewählten Personen nicht nur persönlich eine feste Anlaufstelle sein, sondern mit lang­jähriger Berufserfahrung auch die Häuser und ihre Abläufe gut kennen. Schnell waren die für diese Aufgabe prädestinierten Kolleginnen gefunden: Mouna Rügge arbeitet seit zehn Jahren am Bürgerhospital und ist mittlerweile Chefarztsekretärin der Allgemeinen Visze­ral­chi­rurgie und Teamleiterin vom Schreibdienst der Chirurgie. 

Stephanie Strauß ist seit fünf Jahren am Bürgerhospital und Chefarztsekretärin der Augenklinik. Zusammen stellen sie sich ihrer neuen Aufgabe, den Nachwuchs sowohl fachlich als auch menschlich während seiner Ausbildung zu unterstützen. „Auch ich muss mich in den Job der Mentorin erst einfinden, doch ich sehe das als eine Chance: Unser Ziel ist es, langfristig in unsere Schüler – liebevoll auch ,Küken‘ genannt – zu investieren. Im besten Fall kann ich dann in 20 Jahren sagen ‚Weißt du noch damals, als ich deine Mentorin war?‘“, erklärt Rügge.

Die duale Ausbildung zu Medizin­ischen Fachangestellten dauert insgesamt drei Jahre. In dieser Zeit müssen die Schüler:innen für die theoretischen Lerninhalte an zwei Tagen pro Woche in die Berufsschule Julius Leber. Hier lernen die angehenden MFAs vor allem medizin­ische Inhalte wie die Lehre der Anatomie, Pathologie und Physiologie, um den Körper, seine normalen Funktionen und Krankheiten zu verstehen. Aber auch verwaltungstechnischer Lehrstoff wie Abrechnung, Datenschutz und das deutsche Gesund­heits­system werden hier nähergebracht sowie Wissen zu Hygienestandards, Kommunikation mit Patienten und Quali­täts­ma­na­ge­ment.

Die praktischen Kenntnisse eignen sich die Auszubildenden an den restlichen Tagen am Bürgerhospital und Clementine Kinder­hospital als medizin­ische Einrichtung an. Geplant ist, dass sie im besten Fall alle drei Monate abwechselnd durch die Sekretariate der Chirurgie und der Augenklinik, die Zentral Elektive Aufnahme, die Anästhesie, die Endoskopie sowie die Geburtshilfe und die Kinderchirurgie rotieren. In der Zukunft sollen weitere Arbeitsbereiche das Rotationsmodell ergänzen.

Die Landes­ärz­te­kammer Hessen ist nach dem Berufsbildungsgesetz die zuständige Stelle für den staatlich anerkannten Ausbildungsberuf Medizin­ische Fachangestellte und gibt den Ausbildungsrahmenplan vor. Dieser legt fest, welche Inhalte in welchem Ausbildungsjahr vermittelt werden müssen. „Wir versuchen, uns so weit wie möglich an diesem Plan zu orientieren. Mitunter ist das herausfordernd, da unsere Schüler immer zu unter­schiedlichen Zeiten in unter­schiedlichen Bereichen eingesetzt sind und entsprechend unter­schiedliche Inhalte in der Praxis lernen.

Unser Vorteil ist jedoch, dass unsere Auszubildenden in eine gemeinsame Klasse gehen und sich austauschen. Das unterstützen wir, indem wir mit einem wöchentlichen Treffen auch den Raum schaffen, um gemeinsam lernen zu können“, erklärt Rügge. „Auch können wir hier vor Prüfungen noch offene Fragen klären sowie die von den Schülern monatlich zu führenden Ausbildungsnachweise überprüfen, bevor sie dem ausbildenden Arzt Dr. med. Christian Vorländer vorgelegt werden“, ergänzt Stephanie Strauß.

Während Anastasia Kohun ihre ersten Erfahrungen als angehende MFA in der Gynäkologie sammelt, ist Schiphra Feliz aktuell in der Augenklinik eingesetzt. Sie sind zwei von insgesamt vier Schüler­innen, die ihre Ausbildung zur Medizin­ischen Fachangestellten nach dem neuen Rotationsprinzip starteten. „Ich hatte die Chance, direkt im Anschluss an das Bewerbungsgespräch in der Zentral Elektiven Aufnahme hospitieren zu dürfen. Für mich war klar, dass ich in den drei Jahren der Ausbildung nicht nur in einem Fachbereich wie in einer Arztpraxis arbeiten möchte. Das Rotationsmodell, die Atmosphäre und der Teamgeist haben mich so überzeugt, dass ich nach der Zusage innerhalb von zwei Wochen meine Zelte in Erlangen abgebrochen habe und für den Ausbildungsstart nach Frankfurt gezogen bin. Auch hierbei habe ich große Unterstützung von der Perso­nal­ab­tei­lung erfahren“, berichtet Anastasia. Schiphra hält fest: „Schule und Ausbildung zusammen können schon herausfordernd sein, daher ist es wichtig, eine Struktur zu haben. Stehen beispielsweise Prüfungen an, plane ich ein, an welchen Tagen ich mich nach der Arbeit noch zum Lernen hinsetzen muss, da es sonst mit der Präsenzzeit im Betrieb nicht hinkommt. Aber MFA war schon immer mein Traumberuf. Bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz dachteich mir dann: Ich probiere mein Glück!“

„In der Augenklink können unsere MFAs sogar im Augen-OP arbeiten, dafür muss man keine Operationstechnische Assistenz sein (OTA). Uns ist wichtig, dass unsere Auszubildenden wie Schiphra überall einmal reinschnuppern können. Mit dem neuen Rotationsmodell bekommen sie haut­nah von allen Bereichen auch praktisch vor Ort etwas mit“, betont Strauß. Die gewonnenen Praxiserfahrungen erleichtern ihnen die späteren Prüfungen. „Wir stecken viel Zeit und Mühe in unsere Auszubildenden. Aber am Ende zahlt sich die Investition aus und wir haben quali­fizierte Allrounder, die mit Freude langfristig unsere Teams stärken“, hält Rügge fest.

 

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