Simulationszentrum für das Bürgerhospital und Clementine Kinderhospital - Teamtrainings für den Notfall
Im Januar haben das Bürgerhospital und das Clementine Kinderhospital ihr hauseigenes Simulationszentrum für Medizin und Pflege offiziell eröffnet. Damit haben Beschäftigte der Hochrisikobereiche beider Kliniken fortan die Möglichkeit, Abläufe in lebensbedrohlichen Situationen realitätsnah im Team zu trainieren. Neben einer bestmöglichen Versorgung von Patient:innen sollen vor allem die Teamarbeit und der persönliche Umgang mit kritischen Situationen eingeübt werden.
10:30 Uhr an einem trüben Januar im Frankfurter Nordend, unweit des Bürgerhospitals. Eine Frau, die vor wenigen Stunden ihr erstes Kind geboren hat, liegt in einem Patientenbett und klagt über Schmerzen. Eine Krankenpflegerin kommt in den Raum, reicht ihr etwas Wasser. Plötzlich überkommt die Patientin ein heftiger Krampfanfall. Sie verliert das Bewusstsein, während ihr Körper weiter so stark zittert, dass sie riskiert aus dem Patientenbett zu fallen. Die Krankenschwester ruft die dienst-habende Ärztin hinzu, zusätzlich kommt eine weitere Krankenpflegerin ins Zimmer. Nach wenigen Augenblicken ist dem behandelnden Team klar: Die Frau hat einen eklamptischen Anfall, im Volksmund bekannt als Schwangerschaftsvergiftung. Es müssen schnell ein Zugang gelegt und die passenden Medikamente verabreicht werden.
Während Ärztin und Pflegekräfte die Patientin versorgen, klatscht jemand in die Hände, gefolgt von einem „Szenario stopp!“. Dr. Maria Perez de Laborda hat das Geschehen rund um das Patientenbett im Hintergrund verfolgt. Die Frauenärztin verantwortet die Simulationstrainings der Frauenklinik und der geburtshilflichen Stationen. „Die Simulationstrainings sind fester Bestandteil in der Dienstplanung des Bereichs Geburtshilfe: Alle Pflegekräfte erhalten mindestens einmal jährlich ein ganztägiges Simulationstraining, die Ärztinnen und Ärzte zweimal im Jahr“, erklärt die Oberärztin.
Trainiert wird jedoch zusammen, oder „multiprofessionell“, wie Martin Jessie es nennt. Der Neonatologe leitet das Simulationszentrum des Bürgerhospitals und Clementine Kinderhospitals. Hier sollen Beschäftigte aus Medizin und Pflege zusammen so realitätsnah wie möglich Hochrisikosituationen trainieren. Im Falle der geschilderten Notfall-situation geschah das Training mithilfe einer Schauspielerin. Aber es stehen auch Patientenpuppen zur Verfügung, die in den Simulationen zum Einsatz kommen – etwa die Simulationspuppe „Paul“, die einem Frühgeborenen nachempfunden ist.
„Was in anderen Branchen, wie etwa der Luftfahrt, streng reglementiert ist, wird im Gesundheitswesen leider noch stiefmütterlich behandelt“, beschreibt Jessie die Bedeutung von Trainings in seiner Branche. „Wir gehen zu oft davon aus, dass angelerntes Wissen uns automatisch zum richtigen Handeln befähigt.“ Deswegen liegt in der Konzeption der Simulationen ein besonderer Schwerpunkt auf dem Zusammenspiel im Team.
Dabei finden die Simulationstrainings auf drei Räume verteilt statt. Das Kernstück bildet der sogenannte „Demo-Raum“: Hier findet das Training statt. Der Raum kann je nach Team entsprechend ausgestattet werden und einem Operationssaal, einem Intensivzimmer oder einem Kreißsaal nachempfunden sein. Daneben gibt es das „Cockpit“: Von hier aus kann die Simulationsleitung das Geschehen im Demo-Raum via Kameraübertragung überblicken. Über Mikrofon und Lautsprecher können Informationen an die Trainierenden weitergegeben werden.
Der dritte Raum dient dem „Debriefing“: Hier überträgt ein großer Bildschirm das Geschehen aus dem Demo-Raum, sodass auch Kolleg:innen aus den trainierenden Teams die Abläufe mitbeobachten und besser nachempfinden können.
Insgesamt ist das Zentrum eine Investition, die für ein Krankenhaus nicht ohne weiteres stemmbar ist. Möglich gemacht werden konnte der Aufbau des Zentrums durch die Unterstützung mehrerer Stiftungen (siehe Info weiter unten), aber auch das Bürgerhospital und Clementine Kinderhospital steuern für den Betrieb jährlich einen sechsstelligen Betrag bei.
Doch die finanzielle Förderung eines solchen Zentrums und die Unter-stützung durch die Krankenhausleitung reichen nicht aus. Besonders erfahrene Arbeitskräfte täten sich mit einer Teilnahme häufiger schwer. „Das ist nicht verwunderlich. Schließlich provozieren wir in den Trainings Fehler, und das auch noch vor versammelter Mannschaft“, so Martin Jessie. Deswegen legt sein Team viel Wert darauf, eine Ebene tiefer anzusetzen und dafür zu sensibilisieren, dass Training auf allen Ebenen nötig ist. „Auch ein Lionel Messi trainiert als Weltfußballer weiter an seinen Freistößen“, fügt er lächelnd hinzu.
Das Ziel, das mit dem Simulationszentrum verfolgt werden soll, ist aber nicht nur die Vermeidung von Fehlern in der alltäglichen Praxis, sondern eine Verbesserung der Fehlerkultur. Damit spricht er einen Punkt an, der in der Diskussion um das Trainieren von Notfallsituationen oft untergeht: „Wenn im Notfall etwas schief geht, ist der betroffene Patient natürlich das erste Opfer. Rettungskräfte sind aber oft die zweiten Opfer: Viele quälen sich im Nachgang an kritischen Situationen mit schlechtem Ausgang – Hätte ich etwas besser machen können? Habe ich im Team schlecht agiert? Könnte die Person noch am Leben sein, wenn ich etwas anders gemacht hätte? Mit den Simulationstrainings haben wir daher nicht nur das Wohlergehen der Patienten im Blick, sondern auch das der Beschäftigten“, erklärt Jessie. Fehler in Medizin und Pflege könnten dramatische Folgen haben und seien leider nicht gänzlich vermeidbar. Umso wichtiger sei es, die handelnden Akteure bestmöglich vorzubereiten.
Stiftungen ermöglichen Simulationszentrum
Das Projekt wurde ermöglicht durch die Dr. Senckenbergische Stiftung und die Clementine Kinderhospital – Dr. Christ’sche Stiftung, die das Simulationszentrum mit zusammen rund 475.000 Euro fördern. Zusätzlich haben die Carls Stiftung mit 100.000 Euro und die A. Weitbrecht-Stiftung mit 50.000 Euro das Vorhaben gefördert. Die Hans und Wolfgang Schleussner Stiftung unterstützt das Projekt mit 5.000 Euro.
Hörtipp!
Wie Medizin und Pflege gemeinsam kritische Situationen am Patientenbett trainieren, haben wir Leiter Martin Jessie auch in der jüngsten Folge unseres Podcasts „Ei horsche ma!“ gefragt. Reinhören lohnt sich! Auf www.bhf.de/ multimedia, und überall dort, wo es Podcasts gibt.
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Im Januar haben das Bürgerhospital und das Clementine Kinderhospital ihr hauseigenes Simulationszentrum für Medizin und Pflege offiziell eröffnet. Damit haben Beschäftigte der Hochrisikobereiche beider Kliniken fortan die Möglichkeit, Abläufe in lebensbedrohlichen Situationen realitätsnah im Team zu trainieren. Neben einer bestmöglichen Versorgung von Patient:innen sollen vor allem die Teamarbeit und der persönliche Umgang mit kritischen Situationen eingeübt werden.
10:30 Uhr an einem trüben Januar im Frankfurter Nordend, unweit des Bürgerhospitals. Eine Frau, die vor wenigen Stunden ihr erstes Kind geboren hat, liegt in einem Patientenbett und klagt über Schmerzen. Eine Krankenpflegerin kommt in den Raum, reicht ihr etwas Wasser. Plötzlich überkommt die Patientin ein heftiger Krampfanfall. Sie verliert das Bewusstsein, während ihr Körper weiter so stark zittert, dass sie riskiert aus dem Patientenbett zu fallen. Die Krankenschwester ruft die dienst-habende Ärztin hinzu, zusätzlich kommt eine weitere Krankenpflegerin ins Zimmer. Nach wenigen Augenblicken ist dem behandelnden Team klar: Die Frau hat einen eklamptischen Anfall, im Volksmund bekannt als Schwangerschaftsvergiftung. Es müssen schnell ein Zugang gelegt und die passenden Medikamente verabreicht werden.
Während Ärztin und Pflegekräfte die Patientin versorgen, klatscht jemand in die Hände, gefolgt von einem „Szenario stopp!“. Dr. Maria Perez de Laborda hat das Geschehen rund um das Patientenbett im Hintergrund verfolgt. Die Frauenärztin verantwortet die Simulationstrainings der Frauenklinik und der geburtshilflichen Stationen. „Die Simulationstrainings sind fester Bestandteil in der Dienstplanung des Bereichs Geburtshilfe: Alle Pflegekräfte erhalten mindestens einmal jährlich ein ganztägiges Simulationstraining, die Ärztinnen und Ärzte zweimal im Jahr“, erklärt die Oberärztin.
Trainiert wird jedoch zusammen, oder „multiprofessionell“, wie Martin Jessie es nennt. Der Neonatologe leitet das Simulationszentrum des Bürgerhospitals und Clementine Kinderhospitals. Hier sollen Beschäftigte aus Medizin und Pflege zusammen so realitätsnah wie möglich Hochrisikosituationen trainieren. Im Falle der geschilderten Notfall-situation geschah das Training mithilfe einer Schauspielerin. Aber es stehen auch Patientenpuppen zur Verfügung, die in den Simulationen zum Einsatz kommen – etwa die Simulationspuppe „Paul“, die einem Frühgeborenen nachempfunden ist.
„Was in anderen Branchen, wie etwa der Luftfahrt, streng reglementiert ist, wird im Gesundheitswesen leider noch stiefmütterlich behandelt“, beschreibt Jessie die Bedeutung von Trainings in seiner Branche. „Wir gehen zu oft davon aus, dass angelerntes Wissen uns automatisch zum richtigen Handeln befähigt.“ Deswegen liegt in der Konzeption der Simulationen ein besonderer Schwerpunkt auf dem Zusammenspiel im Team.
Dabei finden die Simulationstrainings auf drei Räume verteilt statt. Das Kernstück bildet der sogenannte „Demo-Raum“: Hier findet das Training statt. Der Raum kann je nach Team entsprechend ausgestattet werden und einem Operationssaal, einem Intensivzimmer oder einem Kreißsaal nachempfunden sein. Daneben gibt es das „Cockpit“: Von hier aus kann die Simulationsleitung das Geschehen im Demo-Raum via Kameraübertragung überblicken. Über Mikrofon und Lautsprecher können Informationen an die Trainierenden weitergegeben werden.
Der dritte Raum dient dem „Debriefing“: Hier überträgt ein großer Bildschirm das Geschehen aus dem Demo-Raum, sodass auch Kolleg:innen aus den trainierenden Teams die Abläufe mitbeobachten und besser nachempfinden können.
Insgesamt ist das Zentrum eine Investition, die für ein Krankenhaus nicht ohne weiteres stemmbar ist. Möglich gemacht werden konnte der Aufbau des Zentrums durch die Unterstützung mehrerer Stiftungen (siehe Info weiter unten), aber auch das Bürgerhospital und Clementine Kinderhospital steuern für den Betrieb jährlich einen sechsstelligen Betrag bei.
Doch die finanzielle Förderung eines solchen Zentrums und die Unter-stützung durch die Krankenhausleitung reichen nicht aus. Besonders erfahrene Arbeitskräfte täten sich mit einer Teilnahme häufiger schwer. „Das ist nicht verwunderlich. Schließlich provozieren wir in den Trainings Fehler, und das auch noch vor versammelter Mannschaft“, so Martin Jessie. Deswegen legt sein Team viel Wert darauf, eine Ebene tiefer anzusetzen und dafür zu sensibilisieren, dass Training auf allen Ebenen nötig ist. „Auch ein Lionel Messi trainiert als Weltfußballer weiter an seinen Freistößen“, fügt er lächelnd hinzu.
Das Ziel, das mit dem Simulationszentrum verfolgt werden soll, ist aber nicht nur die Vermeidung von Fehlern in der alltäglichen Praxis, sondern eine Verbesserung der Fehlerkultur. Damit spricht er einen Punkt an, der in der Diskussion um das Trainieren von Notfallsituationen oft untergeht: „Wenn im Notfall etwas schief geht, ist der betroffene Patient natürlich das erste Opfer. Rettungskräfte sind aber oft die zweiten Opfer: Viele quälen sich im Nachgang an kritischen Situationen mit schlechtem Ausgang – Hätte ich etwas besser machen können? Habe ich im Team schlecht agiert? Könnte die Person noch am Leben sein, wenn ich etwas anders gemacht hätte? Mit den Simulationstrainings haben wir daher nicht nur das Wohlergehen der Patienten im Blick, sondern auch das der Beschäftigten“, erklärt Jessie. Fehler in Medizin und Pflege könnten dramatische Folgen haben und seien leider nicht gänzlich vermeidbar. Umso wichtiger sei es, die handelnden Akteure bestmöglich vorzubereiten.
Stiftungen ermöglichen Simulationszentrum
Das Projekt wurde ermöglicht durch die Dr. Senckenbergische Stiftung und die Clementine Kinderhospital – Dr. Christ’sche Stiftung, die das Simulationszentrum mit zusammen rund 475.000 Euro fördern. Zusätzlich haben die Carls Stiftung mit 100.000 Euro und die A. Weitbrecht-Stiftung mit 50.000 Euro das Vorhaben gefördert. Die Hans und Wolfgang Schleussner Stiftung unterstützt das Projekt mit 5.000 Euro.
Hörtipp!
Wie Medizin und Pflege gemeinsam kritische Situationen am Patientenbett trainieren, haben wir Leiter Martin Jessie auch in der jüngsten Folge unseres Podcasts „Ei horsche ma!“ gefragt. Reinhören lohnt sich! Auf www.bhf.de/ multimedia, und überall dort, wo es Podcasts gibt.
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